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Schule trifft Kultur

Wo Richter Reiterhelme tragen und über Straftaten im Fitnessstudio verhandelt wird - eine Theaterkritik zur Premiere von Corpus Delicti

Am Freitag den 24. März besuchte der Basiskurs von Herrn Gogler die Premiere des Stückes Corpus Delicti im KUBAA. Neben dem Kulturgenuss sollten die Schüler:innen im Anschluss eine Theaterkritik verfassen und hatten dazu verschiedene Beobachtungsaufträge. Hier findet ihr nun Auszüge aus der im Kurs gewählten Gewinner-Kritik von Nika Basalyk und Paul Schmidt.

Seit der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdowns wissen wir, wie es ist, wenn unsere individuellen Freiheitsrechte durch staatliche Kontrollen und Regeln zum Schutz der Gesundheit der Allgemeinheit eingeschränkt werden. Ähnlich verhält sich dies im Roman „Corpus Delicti“ von Juli Zeh, welcher bereits 2009 und damit vor der Pandemie erschienen ist. Das Theater der Stadt Aalen, unter der Regie von Tina Brüggemann, bringt das Stück seit dem 24. März 2023 erstmals im KUBAA auf die Bühne.

In dem dystopischen Roman wird das Szenario einer Gesundheits-Diktatur geschildert. Die Hauptfigur Mia Holl stellt sich gegen die von dem Staat aufgestellten Regeln und Gesetze, die unter dem Begriff „Methode“ zusammengefasst werden. Grund dafür ist der Tod ihres Bruders Moritz, der zu Unrecht von der Methode eines Mordes beschuldigt wird und sich anschließend im Gefängnis erhängt. Dieser Fall löst Proteste gegen die Methode aus, die eigentlich als unfehlbar gilt. Der Tod ihres Bruders bringt Mia dazu, sämtliche Regeln der Methode zu hinterfragen und auf die Dokumentationen ihres Gesundheitszustands zu „pfeifen“. Deshalb muss sich Mia mehrmals der Richterin Sophie stellen, wobei ihr Anwalt Lutz Rosentreter nur eine bedingte Hilfe für sie darstellt. Verfolgt wird der Strafprozess von Heinrich Kramer, einem absoluten Befürworter und Publizist der Methode, der versucht, Mias Fall als Instrument zur Legitimation der Methode zu missbrauchen.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Inszenierung des Stadttheaters von Aalen gelungen ist. Auch Nicht-Kennern des Romans wird sofort auffallen, dass die Methode eine zentrale Rolle im Stück (auch im Roman) spielt: Durch das Kostümbild wird deutlich gemacht, wer hinter der Methode steht und wer nicht. Während Methoden-Anhänger wie die Richterin Sophie und der Publizist Kramer ein Muster auf ihrem Kostüm tragen, ist die Jacke von Methodengegner Moritz, welche er später im Stück Mia überreicht, einfarbig gestaltet. Auch das Schauspiel überzeugt die Zuschauer. Der schwäbische Akzent von Lebertsche (im Roman: Pollsche) wirkte sehr sympathisch und amüsant. Auch der Schauspieler von Heinrich Kramer mit seinem Golf-Outfit, sowie die zu Beginn des Stücks disziplinierte Mia, wirkten sehr überzeugend. Handlungsabschnitte, darunter Rückblenden, als auch einzelne Szenen, werden durch verschiedene Licht- und Toneffekte bereichert. Wer als Kenner des Romans die Inszenierung des Stücks ansieht, dem wird jedoch einiges auffallen: Zum einen fehlt im Stück die Fantasiefigur der „idealen Geliebten“, die Moritz Mia schenkt, komplett – sie wird lediglich einmal kurz in einem Gespräch zwischen Mia und Moritz erwähnt. Das ist schade, da sie Mias Entwicklung von der Methoden-Befürworterin zur Methoden-Gegnerin sehr anschaulich unterstreicht und damit einen roten Faden durch die Handlung zieht. Auch trägt es zum Verständnis nicht unbedingt bei, dass der Redakteur Würmer nur auf einer Leinwand zu sehen ist. Diese Leinwand hätte besser für die ideale Geliebte verwendet werden können. Weiterhin ist zu kritisieren, dass Laien der Einstieg in die Handlung bzw. die Rückblenden nicht eindeutig genug erkennen. Dieses Missverständnis klärt sich jedoch im Verlauf der Inszenierung. [...]

Fazit: Wer sich dieses Stück im Aalener Stadttheater anschauen möchte, sollte sich zuvor mit dem Roman von Juli Zeh befassen, da somit gewisse Einzelheiten klarer werden und die Inszenierung ohne Verwirrung genossen werden kann. Letztendlich lässt sich sagen, dass sich der Besuch des Theaters durchaus lohnt, er aber trotzdem eine gewisse Offenheit gegenüber Abwandlungen und der Interpretation des Stücks erfordert. - „Santé!“